„Mein Körper streikte, komplett. Und damit auch mein Geist. Ich hatte Orchesterprobe, aber ich fühlte, dass ich total erschöpft war, zu erschöpft, um mit meinem Instrument noch die anstrengenden und anspruchsvollen Stücke zu bewältigen. Mir war schwindelig, ich sah die Ferne verschwommen und fühlte diese Hitze hinter der Stirn. Ich holte meine Kinder vom Kindergarten ab und schleppte mich mit ihnen nach Hause. Mein Mann kam dazu. Ich lag den Rest des Nachmittags auf dem Sofa und kam nicht mehr hoch. Auch am nächsten und übernächsten Morgen nicht mehr.“ Mit diesen Worten beschreibt eine berufstätige Mama ihren Zustand der völligen Erschöpfung, kurz bevor ein Burnout diagnostiziert wird. Dem voraus gingen Jahre, in denen sie zu wenig schlief, sich völlig verausgabte und ihre eigenen Bedürfnisse hintenanstellte.
Die Zahl der Arbeitnehmer, die an einem Burnout leiden, lag 2012 nach Schätzungen von Gesundheitsexperten und Krankenkassen bei rund 13 Millionen in Deutschland. Sind diese Menschen alle zu wenig belastbar? Im Gegenteil, sagt Roland Kopp-Wichmann, Psychologe und Persönlichkeitscoach in Heidelberg, auf seinem Blog: „Einen Burnout muss man sich hart erarbeiten.“ Zum Beispiel durch übertriebenen Perfektionismus, fehlende Grenzen oder ein geringes Selbstwertgefühl. Er erklärt: „Viele andere Menschen leisten auch viel und achten dabei jedoch auf eine gute Work-Life-Balance. Menschen, die Burnout-gefährdet sind, können das schlecht.“ Aber sie können es lernen. Und der Burnout kann ihnen dabei sogar helfen.
Stell’ dir die Wunderfrage
Wie, das erläutert Klaus Biedermann, Psychotherapeut und Coach, in einem Video. Er betrachtet Burnout als positives Signal, das uns Klarheit darüber bringen kann, was richtig und was falsch läuft in unserem Leben. Wichtig ist dabei, das Leben als Ganzes zu betrachten, denn, so Klaus Biedermann: „Burnout ist ein Konglomerat aus verschiedenen Symptomen.“ Um den einzelnen Aspekten auf die Spur zu kommen, empfiehlt er, zum Einstieg die Wunderfrage zu stellen. Diese wurde entwickelt von den US-amerikanischen Psychotherapeuten Steve de Shazer und Insoo Kim Berg:
Du wachst eines Morgens auf, und es ist ein Wunder geschehen. Durch dieses Wunder sind nun alle deine Probleme gelöst. Gehe gedanklich Stück für Stück durch einen ganzen Tag. Woran merkst du, dass das Wunder geschehen ist? Dadurch wirst du hilfreiche Impulse erhalten, was du anders machen kannst.
Die Wunderfrage ist nur ein kleiner Teil der Lösung, aber sie kann ein Anfang sein, familiären Problemen, beruflichem Druck und Konkurrenzkampf auf die Spur zu kommen. Die Lösung muss, so Klaus Biedermann, nicht zwangsläufig darin bestehen, dass Betroffene ihren Beruf aufgeben. Stattdessen könne ein Burnout auch dazu führen, dass sie ihren Arbeitsalltag so umgestalten, dass eine bessere Work-Life-Balance möglich wird.